Nokia Lumia 920

(30.11.2012 08:00 CET)

Dieser Testbericht hat ein wenig länger gedauert… ein Produkt, das allüberall so in den grünen Klee gelobt wird, birgt für den Tester immer das Risiko, dass er sich den Lobhudeleien anschließt, statt selber zu testen. Hinzu kam, dass mein erster „Baucheindruck“ des Nokia-Flaggschiffes deutlich negativer war, als eben diese vorherrschende positive Meinung. Grund genug, einige Wochen mit dem Gerät „zu leben“ und es noch ausführlicher als sonst zu testen… inklusive der „Gewöhnungsphase“, in der ein Gerät dann doch oft ein wenig seines Reizes verliert.
Vorweggenommen: Das Lumia 920 mag nicht ohne Schatten sein, faktisch aber ist es aus meiner Sicht tatsächlich ein absolutes Highlight.

Der erste visuelle Eindruck ist zwiegespalten: Das Lumia 920 ist ein Biest, mit seinem 4.5-Zoll Display und dem ausladenden Polycarbonat-Body spürt man schon das Gewicht, bevor man es in der Hand hat. Spannenderweise ist dies genau eine Fehleinschätzung, denn das Lumia 920 ist zwar mit einem Gewicht von 185 Gramm kein Leichtgewicht, fühlt sich aber durch seine Wertigkeit und die Geschlossenheit des Gehäuses in der Hand einfach „richtig“ an. Keine Frage, nicht für jeden wird ein so bulliges Gerät das richtige sein, in sofern macht es durchaus Sinn, vor dem Kauf einfach einmal auszuprobieren… wenn man ein Gerät in einem Laden findet. Allerdings: Legt man das vermeintlich so schlanke HTC 8X daneben, dann kommt die Überraschung: Trotz kleinerem nutzbaren Display ist die Größe nur wenig geringer!

Was dem einen oder anderen nicht gefallen wird: Nur das schwarze Gerät hat eine matte Oberfläche. Weiss, rot und gelb haben hochglänzende Oberflächen, die sicherlich ein wenig gewöhnungsbedürftig sind. Wobei sie unempfindlich sind: nach drei Wochen Dauerbenutzung ist kein einziger Kratzer auf meinem weißen Testgerät zu sehen.

Und Nokia hat weiter zugehört: beim Lumia 800 und 900 war die empfindlichste Stelle des Gerätes die Kameraumrandung aus Chrom. Schon vom reinen Hinsehen war diese nach Minuten verkratzt, was den Eindruck des Gerätes deutlich schmälerte. Das Material wurde getauscht, und trotz Verwendung des Gerätes ohne Tasche oder Abdeckung – und damit dem direkten Kontakt mit dem Tisch – ist nach den drei Wochen Test kein einziger Kratzer zu sehen. Alle Tasten wie auch die Kameraumrandung sind statt chromfarben jetzt schwarz: Das schafft beim weissen und schwarzen Modell einen netten Kontrast bzw. eine Einheitlichkeit, wirkt aber auch bei den farbigen Modellen edel und ungewöhnlich.

Trotz seiner Ähnlichkeit zum Vorgänger, dem Lumia 900, ist das Lumia 920 ein vom Design her selbständiges Gerät: Die Schrauben an der Unterseite, die natürlich bei den farbigen Modellen noch mehr auffallen, geben ihm einen Touch von Industriedesign und lockern die wuchtige Form einmal mehr auf. Auf der rechten Seite befindet sich oben die Lautstärkewippe, darunter in der Mitte der Power-Button und unten die Taste für die Kamera. An der Gehäuse-Oberkante ist neben dem Kopfhörerstecker noch die Schublade für die mikro-SIM-Karte untergebracht, an der Unterseite der miro-USB-Stecker und die Lautsprecher.

Eines der Kernfeatures des Gerätes ist mit Sicherheit das Display: Mit einer Diagonale von 4,5 Zoll, Corning Gorilla-Glas (was nahezu kratzunempfindlich ist), der zu den Vorgängern nochmal verbesserten, „PureMotion HD+“ genannten Panel mit 1280*768 Bildpunkten Auflösung, das durch technische Hilfsmittel soweit angepasst wurde, dass es in der Sonne gut lesbar ist und sogar mit Handschuhen bedienbar ist, ist es auf dem Papier DAS überlegene Display auf dem Markt für ein Smartphone. In der Praxis allerdings… hält es, was es verspricht. J Ich habe selten ein Display mit diesen Schwarzwerten erlebt, das auch in der Sonne noch so gut lesbar ist. Natürlich ist die Spiegelung der Oberfläche ein hindernder Faktor, aber durch „Spezielle Algorithmen zur optimalen Lesbarkeit bei Sonneneinstrahlung“ (so der Pressetext von Nokia) ist hier ein deutlicher Vorsprung zur Konkurrenz zu sehen. Und die mit Windows Phone 8 endlich verfügbare höhere Auflösung (statt bisher 800*480) tut ihr übriges, um zum einen eine empfunden deutlich bessere Darstellung bietet (mit 332 ppi nicht ganz am iPhone 5, aber schon sehr nah daran), zum anderen aber beispielsweise auch beim Surfen im Internet Inhalte so darstellen kann, dass man immer weniger ein Notebook unterwegs vermisst.

Der Snapdragon S4-Prozessor mit zwei mit 1.5 GHz getakteten Kernen versorgt das Lumia 920 mit genügend Rechenpower, um die Oberfläche (die ja unter Windows Phone 7.x mit seinen Single-Core-Prozessoren schon für ihre Flüssigkeit gelobt wurde) wie auch komplexe Apps wie Navigation oder Spiele ohne Ruckeln laufen zu lassen. Wobei ich mich hier frage, ob – außer der dauernden Forderung „andre Plattformen haben das ja auch“ – überhaupt ein Mehrkern-Prozessor nötig ist.

Spannender ist das Thema des Akkus. Auch wenn Nokia für den 2000mAh starken Akku von 10,8 Stunden Sprechzeit, 460 Stunden Standby und 74 Stunden Musikwiedergabe spricht, waren die ersten Erfahrungen ernüchternd: Gerade mal 10 Stunden wollte das Lumia 920 moderat benutzt werden, bis erst der Stromsparmodus und dann die automatische Abschaltung einsetzten. Erschreckend, und offensichtlich auch nicht ein Einzelfall. Sobald man allerdings einige Dinge beachtet, kann Entwarnung gegeben werden: Zum einen legt der Akku über die ersten Ladezyklen deutlich an Leistung zu, so stark, wie ich es bisher noch bei keinem anderen Gerät erlebt habe.

Dann sollte man darauf achten, wie oft man sich in einem LTE-versorgten Gebiet aufhält, wenn der Mobilfunkvertrag diese Option enthält. Eine Datenverbindung via LTE zieht deutlich mehr am Akku als eine UMTS-Verbindung, und durch die diversen Dienste, die im Hintergrund Daten aus dem Internet ziehen, hat dies eine spürbare Auswirkung auf die Akkulaufzeit, auch wenn man als Benutzer nicht „aktiv surft“. Abhilfe schafft hier, unter Einstellungen, Mobilfunk die schnellste zu verwendende Datenverbindung von „4G“ auf „3G“ zu stellen.

Mit diesen beiden Voraussetzungen schaffte das Lumia 920 im Test kontinuierlich deutlich über einen Tag, bei aktivierter Push-Verbindung zu einem Exchange-Server, Facebook, Twitter, ebay und anderen Diensten, ca. einer Stunde Telefonieren am Tag, Spielen, Nutzung als PDA etc. Das ist durchaus ein Wert, der im oberen Mittelfeld steht, und unter Berücksichtigung des riesigen Displays mehr als zufriedenstellend.

Eine der vollkommen von den Spezifikationen von Windows Phone unabhängigen Neuerungen des Lumia 920 ist die Möglichkeit des kabellosen Ladens. Auch wenn dem Gerät im Standardlieferumfang nur ein normales micro-USB-Ladegerät beiliegt, gibt es mittlerweile diverse kabellose Ladeaccessoires von Nokia selbst (durch Verwendung des Qi-Standards dürfte das Angebot hier auch noch sichtbar zunehmen). Das Lumia wird auf die Ladeschale gelegt, und beginnt sofort zu laden, ohne dass ein Stecker eingesteckt werden muss. Mittlerweile gibt es in den USA an vielen Flughäfen schon Qi-kompatible Ladestationen, mit denen man ein Lumia 920 problemlos beim Zwischenstopp nachladen könnte.

Kommen wir zu dem Ausstattungsmerkmal, für das das Lumia 920 die meisten Lorbeeren bekommen hat: Die Kamera. Im Gegensatz zum Pureview 808 (das ja nicht mit Windows Phone betrieben wurde) hat Nokia auf einen 8,7 Megapixel-Sensor gesetzt, was auf den ersten Blick niemandem vom Hocker hat. Allerdings ist die tatsächliche Leistung hier nicht der Sensor, sondern die Software zur Bildaufbereitung und die Lagerung der Linsen. Kurz zusammengefasst: Die Kamera des Lumia 920 ist in der Summe das Beste, was momentan auf einem Smartphone zu bekommen ist. Sie schlägt die des HTC One X, des Samsung Galaxy SII und die des iPhone 5 mit Leichtigkeit… allerdings ist die Formulierung „in der Summe“ aus gutem Grund gewählt:

In schlechten Lichtverhältnissen ist die Qualität der Bilder ohne Blitz schlicht und einfach unglaublich. Das liegt vor allem daran, dass Nokia die Linsen flexibel gelagert hat und durch die verwendete Software den Hauptgrund für Verwackler, die Erschütterung der Kamera beim Auslösen, nahezu eliminiert. Selbst im Bereich der „echten Digitalkameras“ liegt die des 920 im vorderen Bereich. Leider steht dem keine entsprechende Qualität bei „Tageslichtfotos“ entgegen. Nicht falsch verstehen: die Kamera ist bei normalem Licht nicht schlecht, aber eben auch nicht überragend, was im Gesamtbild leider die Freude trübt. Nokia hat zwar angekündigt, dass genau für diese Belichtungssituationen ein Update kommen soll, allerdings nicht über einen Zeitraum gesprochen.

Fazit für mich: So ganz mag ich die Digitalkamera noch nicht zuhause lassen, wenn es um Bilder geht, die einen höherwertigen Charakter als den eines Schnappschusses haben sollen. Wäre die Qualität der Tagesbilder so wie die der Bilder in schlechtem Licht, dann wäre das Lumia 920 überragend, so ist es „nur“ überraschend gut. Die Bilder unten sind unbearbeitet, ein Klick auf das kleine Bild öffnet die Vollansicht:


 

Die „Verwacklungssicherheit“ des Linsensystems hat aber auch noch eine andere Sonnenseite: Aktuell gibt es wohl kein Smartphone, das in Bewegung ruhigere Videos produziert als das Lumia 920. Da kann keiner der Konkurrenten auch nur ansatzweise mithalte

Preis:

Zwischen EUR 599,- und EUR 649,- (Link zu Nokia)

Fazit:

Nokia hat endlich, über ein Jahr nach dem Markteinstieg durch  das Lumia 800, mit dem Lumia 920 ein Gerät im Portfolio, das herausragt und der Konkurrenz Paroli bieten kann: ohne künstliche Verknappung ist das Gerät kontinuierlich fast überall ausverkauft, Nachlieferungen sind ebenfalls im Handumdrehen wieder verkauft, und die Kritiken sind durchweg positiv.

Ich mag ein wenig zurückhaltender sein: Nichts desto Trotz ist das Lumia 920 das beste momentan verfügbare Smartphone, und das erste, was die Hoffnung von Microsoft, mit Nokia als Hardwarepartner Windows Phone als Betriebssystem nach vorne zu bringen, erfüllen könnte.

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